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„Fast Track“ in Europa zur supranationalen Unterlassung?

Ein wahrscheinlich rechtsbeständiges Patent kann ausreichen!

No need for „up to the hilt“!

(Artikel von Dr. Thomas Rössler, LL.M.)

 

Für eine Anordnung einer einstweiligen Unterlassungsmaßnahme durch das Einheitliche Patentrecht reicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Rechtsbeständigkeit des Streitpatents aus. Denn dies schaffe bereits ausreichende Sicherheit (vgl. Regel 211.2 VerfO). So entschied kürzlich die Lokalkammer München (UPC_CFI_2/2023, 19.09.2023) in einem Streit zwischen zwei Biotechnologiegiganten (10x Genomics ./. Nanostring).

Der Rechtsbestand muss also nicht bereits „jenseits vernünftiger Zweifel“ („beyond reasonable doubt“ or „up to the hilt“) oder nach einem ähnlich hohen, vergleichbaren Standard gesichert sein. Im vorliegenden Fall sah das Gericht den Rechtsbestand des Streitpatents als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gesichert an.

Ferner trage die initiale Beweislast für mangelnden Rechtsbestand im Verletzungsverfahren grundsätzlich die Beklagte bzw. Antragsgegnerseite. Für das einstweilige Verfahren sei jedoch anzumerken, dass – anders als im Hauptsacheverfahren – die Antragsteller eine Verpflichtung trifft, bereits mit der Antragsschrift zur (positiven) Rechtsbeständigkeit des streitgegenständlichen Schutzrechtes vorzutragen (Regel 206.2(d) VerfO). Dies ergebe sich auch bereits daraus, dass die Anordnung schließlich grundsätzlich auch ex parte – ohne Anhörung der Antragsgegnerin – ergehen kann.

 

Unterlassungsanordnungen aus Europäischen Patenten beim Einheitlichen Patentgericht

Das Einheitliche Patentgericht ist ein neu geschaffenes supranationales Gericht für Patentstreitigkeiten in Europa, welches am 1. Juni 2023 seine Tätigkeit aufgenommen hat. Seither werden die ersten Fälle bearbeitet.

Mit einer Unterlassungsanordnung (oder Unterlassungsverfügung) kann ein Patentinhaber oder auch Exklusivlizenznehmer Dritten unter anderem verbieten, seine patentgeschützte Erfindung zur Anwendung zu bringen, zu verkaufen oder auch nur anzubieten. Auch eine Herstellung kann untersagt werden. Beim kürzlich neu geschaffenen Einheitlichen Patentgericht (UPC) sind solche Anordnungen erstmalig regelmäßig länderübergreifend möglich. Es ist für mehrere Länder nur eine gerichtliche Anordnung erforderlich, welche ihre Wirkungen in mehreren Ländern entfaltet und vollstreckbar ist.

Die hier wiedergegebenen Erwägungen der Lokalkammer München bezüglich der bei der Rechtsbeständigkeit anzulegenden Hürde sind gute Neuigkeiten für Patentinhaber, welche ihre Rechte beim Einheitlichen Patentgericht durchsetzen wollen: Das Gericht ist also von der antragstellenden Partei lediglich von der Wahrscheinlichkeit der Rechtsbeständigkeit zu überzeugen, um einstweilig anzuordnen. Diese Entscheidung ist im Sinne der Verfahrenseffizienz als auch -ökonomie: Im einstweiligen Verfahren ist daher keine Detailprüfung der Rechtsbeständigkeit des Streitschutzrechts erforderlich. Auch ein anhängiges Einspruchsverfahren gegen die Patenterteilung vor dem Europäischen Patentamt tut dieser Würdigung nach Auffassung der Lokalkammer keinen Abbruch.

 

Genaueres hierzu wird wahrscheinlich das von der Antragsgegnerin bereits offiziell angekündigte Beschwerdeverfahren offenbaren, welches in Luxemburg entschieden werden dürfte.

Weitere interessante und für die Entwicklung der Rechtsprechung bedeutsame Aspekte der Anordnung betrafen die Frage der nach der Aktivlegitimation der Antragsteller gemäß Artikel 47 EPGÜ, insbesondere im Kontext von Lizenzen.

 

Im Übrigen handelt es sich bei dem vorliegenden Fall um die erste gerichtlich genehmigte einstweilige Maßnahme aus einem „echten“ Europäischen Patent mit Einheitlicher Wirkung (EPUE). Ein historischer Moment – Herzlichen Glückwunsch!

Dr. Thomas Rössler, LL.M.

European Patent Attorney

European Patent Litigator (Representative before the UPC)

 

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