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Patentschutz weiterhin möglich – trotz erfolgtem Produktverkauf?

(Artikel von Dr. Thomas Rössler, LL.M.)

Patente werden nur für neue Erfindungen erteilt. Wurde die Erfindung vor Anmeldetag der Patentanmeldung bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sei es durch schriftliche Beschreibung oder beispielsweise durch ihren Verkauf, dann kann das Patent – mangels Neuheit der Erfindung am Anmeldetag – nicht erteilt werden. Wurde es bereits erteilt, dann kann es widerrufen werden. Diese Folgen sind für den Anmelder freilich gravierend.

Gibt es hierzu möglicherweise Ausnahmen? Mit einer solchen Ausnahme beschäftigt sich demnächst höchstrichterlich die Große Beschwerdekamer des Europäischen Patentamts. Kern der Frage: Was gilt, wenn das Produkt zwar verkauft wurde, aber sich der zu patentierende Gegenstand – als das was unter Schutz gestellt werden soll (hier eine Materialzusammensetzung) – für einen Fachmann nur in sehr schwieriger Weise aus dem verkauften Produkt herleiten ließe?

So gilt für schriftliche Veröffentlichungen der Grundsatz, dass hier die technischen Details in einer für den Fachmann erkennbaren Weise vorliegen müssen, damit die Veröffentlichung einer Patenterteilung tatsächlich entgegensteht.
Auch für Produkte könnte etwas ähnliches gelten: dass also dann ein Produkt unschädlich ist, wenn sich die technische Lehre und Funktionsweise (hier eine Materialzusammensetzung) sich nicht in geeigneter Weise dem Produkt – trotz eines gewissen Analyseaufwands – entnehmen ließe. So ein Standard wurde bereits durch die Entscheidung G 1/92 geschaffen: Hier wurde entschieden, dass eine Materialzusammensetzung zum Stand der Technik gehört, wenn der Fachmann sie analysieren und reproduzieren, also im Wesentlichen ein Reverse-Engineering durchführen, kann.

Sogenannte „non-enabling disclosures“, die den Fachmann eben nicht in den Stand versetzen, die Erfindung nutzen zu können, können andererseits außer Betracht bleiben.

Im der aktuellen Vorlage (G 1/23) zugrundeliegenden Fall (T 438/19) geht es konkret um ein Verkapselungsmaterial für Solarzellen.

Die hoffentlich klaren Antworten, welche die Große Beschwerdekammer auf die drei Vorlagefragen geben wird, haben das Potential, von grundlegender Bedeutung für das Patentsystem in ganz Europa zu sein – und für das konkrete Solarzellen-Patent höchst „kriegsentscheidend“ über sein Schicksal: Rechtsbestand oder Widerruf.

Dr. Thomas Rössler, LL.M.

European Patent Attorney

European Patent Litigator (Representative before the UPC)

 

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